Der Fatigatio e.V. begrüßt es ausdrücklich, dass sich der MD Baden-Württemberg schon zum dritten Mal Zeit für die Betroffenen genommen hat und das Thema ernst nimmt. Dies drückte sich dadurch aus, dass erneut die Spitze des Hauses anwesend war und die Sitzung leitete. Darunter Dr. Rösel, Arzt der Neurologie, leitender Arzt des MD Baden-Württemberg, Dr. Schommer, Leiter des Fachreferats für Arzneimittel beim MD sowie Dr. Neumaier, Arzt der Neurologie, Leiter der Sozialmedizin beim MD.
Nach der freundlichen Begrüßung von Dr. Rösel und einer Vorstellungsrunde folgte eine kurze Präsentation von Dr. Schommer zum Thema Off-Label-Use Medikamentenliste.
Wichtige Punkte aus dem Vortrag von Dr. Schommer: Laut aktuellem Stand gebe es kein explizit für ME/CFS zugelassenes Medikament. Das Problem dahinter sei, dass nur für die Erkrankung zugelassene Medikamente bewilligt werden könnten. Eine symptombezogene Behandlung sei jedoch möglich. Dr. Schommer zeigte sich relativ sicher, dass für die geplante Off-Label-Liste alle ME/CFS-Betroffenen mit einbezogen werden und die Liste nicht auf Long Covid-Betroffene beschränkt sein werde.
Hintergründe zum Vorgehen des MD: Der MD bewerte Bewilligungen von Medikamenten nach gesicherter Diagnose, die – im Falle von ME/CFS - nach den Kanadischen Konsenskriterien gestellt wurde. Grundsätzlich gelte: Je mehr Unterlagen und (valide) Informationen zur Erkrankung, ihrer Symptome und den daraus folgenden Einschränkungen Behandelnde mitschicken, desto besser ist die Voraussetzung für die Bewilligung. Es werde nach Einzelfall entschieden. Dr. Gerner, Leiter der Kinderklinik Ortenaukreis, merkte an, dass man häufig bei guter Begründung durch die Ärztin oder den Arzt gar nicht den vollständigen formalen Weg gehen müsse, da die Krankenkassen schon früher bewilligten, bevor man den Weg zum MD gehen muss.
Grundsätzlich gebe es ein „politisches Problem“ bezogen auf die Erkrankung ME/CFS, hieß es von Seiten des MDs während des Gesprächs. Man sehe neben der Politik die Pharmaindustrie in der Verantwortung. Diese wage aus Angst vor ungenügenden Gewinnen keine Investitionen. Dies seien Themen für die Fachgesellschaften.
Die Patientenorganisationen regten ein weiteres gemeinsames Treffen zum Thema „Schwerstbetroffene“ an. Dies sei ggf. im kommenden Jahr möglich, so die Vertreter:innen des MD.
Fazit: Das erneute Treffen mit dem Medizinischen Dienst Baden-Württemberg war konstruktiv und zeigte wiederholt, dass der MD die Erkrankung ME/CFS ernst nimmt und bemüht ist, den Betroffenen zuzuhören. Wichtige Themen wie Off-Label-Use und die eingeschränkte Verfügbarkeit von spezifischen Medikamenten für ME/CFS wurden besprochen. Es wurde klargestellt, dass symptombezogene Behandlungen möglich sind, jedoch eine schwache Evidenzlage und hohe Hürden bei der Medikamentenbewilligung bestehen. Positiv hervorzuheben ist die Akzeptanz der Diagnosekriterien nach dem Kanadischen Konsenskriterien durch den MD. Auch das Bundessozialministerium könnte Fortschritte bei der Berücksichtigung von ME/CFS-Patienten machen. Insgesamt herrschte eine gute Atmosphäre, und die Patientinnen und Patienten hoffen, dass dieser konstruktive Dialog auch auf Entscheidungsebenen fortgeführt wird.
Wir danken allen Beteiligten!
UPDATE:
Inzwischen fand ein 4. gemeinsames Treffen statt. Das Thema am 19.11.2024 lautete "Pflegebegutachtung"
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