Auf dem Foto sieht man ein Kiosk-Regal mit Zeitungen

NRW will Vorreiter werden – Runder Tisch plant erste Maßnahmen zur Versorgung von ME/CFS-Erkrankten

Düsseldorf, 28.01.2022. Im Schatten der Corona-Pandemie bahnt sich in NRW ein Durchbruch in der Versorgung von ME/CFS-Erkrankten an – ein Krankheitsbild, das auch in Folge von Corona­infektionen auftritt. Bislang existieren deutschlandweit keine Versorgungsangebote für die schwerkranken Betroffenen. Das soll sich in NRW nun ändern. Führende Mediziner*innen und Patientenorganisationen haben Maßnahmen entwickelt, um die Versorgung von ME/CFS-Erkrankten zu verbessern.

Dafür kamen sie am 28. Januar unter der Leitung der Landespatientenbeauftragten zu einem virtuellen Runden Tisch zusammen. Alle Beteiligten sahen dringenden Handlungsbedarf. Landesweit sollen Versorgungsstrukturen, Forschungsnetzwerke und medizinische Fortbildungsangebote aufgebaut werden. Die Patientenbeauftragte unterstützt die Forderungen und will zeitnah mit der Umsetzung beginnen. In Folge der Corona-Pandemie ist mit einem starken Anstieg der Erkrankungen bei Kindern und Erwachsenen zu rechnen.

„Es existiert bislang deutschlandweit kein systematisches Versorgungsangebot für die große Zahl der ME/CFS-Erkrankten. Viele Betroffene sind pflegebedürftig, ans Haus gebunden oder bettlägerig und wurden bislang vom Gesundheitssystem völlig allein gelassen“, schildert Katharina Milde, Sprecherin der Regionalgruppe Aachen des Fatigatio e.V., die aktuelle Lage. „Wir fordern daher gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS, der Lost Voices Stiftung und #MillionsMissing Deutschland drei zentrale Maßnahmen: Versorgungsangebote in Uniklinken und Praxen zu schaffen, Wissen über die Erkrankung durch Forschung aufzubauen und bereits bestehendes Wissen über Fortbildungen in Medizin und Gesellschaft zu verbreiten.“

Diese Forderungen stießen beim Runden Tisch unter den beteiligten Mediziner*innen und Politiker*innen auf einhellige Zustimmung. Mit Unterstützung der Patientenbeauftragten, Claudia Middendorf, wollen alle Beteiligten an der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen mitwirken. Astrid Böckmann von der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS sagt: „Wir haben in Zusammenarbeit mit der Charité Berlin bereits erfolgreich Fortbildungen zu ME/CFS durchgeführt. Diese Erfahrungswerte stellen wir gerne zur Verfügung, um den Aufbau von Fortbildungsangeboten in NRW auf lokaler und regionaler Ebene zu unterstützen.“ Fortbildungen sind ein wichtiges Mittel, um neue Ärzt*innen für die ME/CFS-Versorgung zu gewinnen und Patient*innen für Forschungsprojekte zu rekrutieren. Dazu werden außerdem Ambulanzen an Kliniken benötigt, in denen Ärzt*innen verschiedener Fachrichtungen zusammenarbeiten, um die Diagnose ME/CFS zu stellen und die Betroffenen bestmöglich zu versorgen. Wenn Politik und Ärzteschaft ihren Versprechen nachkommen, steht der Vorreiterrolle NRWs in der ME/CFS-Versorgung somit nichts mehr im Wege.

  Infobox – Was ist ME/CFS?  

   

  • ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt. Die WHO stuft ME/CFS seit 1969 als neurologische Erkrankung ein.
  • ME/CFS tritt zu 70 % nach Virusinfekten wie dem Epstein-Barr-Virus, Influenza oder Sars-Cov-2 auf.
  • Weltweit sind ca. 17 Mio. Menschen betroffen, in Deutschland bis zu 250.000, in NRW 55.000. Ca. 16 % sind Kinder und Jugendliche.
  • ME/CFS ist ein eigenständiges, komplexes Krankheitsbild und nicht mit dem Symptom Fatigue zu verwechseln. Charakteristisch für ME/CFS ist die Post-Exertional Malaise, eine ausgeprägte und anhaltende Verstärkung aller Symptome nach geringer körperlicher und/oder geistiger Anstrengung.
  • 60 % der Erkrankten sind arbeitsunfähig, ein Viertel kann das Haus nicht mehr verlassen, viele sind bettlägerig und pflegebedürftig.
  • Die Diagnose ME/CFS wird nach differenzialdiagnostischer Abklärung anhand etablierter klinischer Kriterienkataloge (Kanadische Konsenskriterien) gestellt.
  • Bisher gibt es keine Behandlung oder Heilung.
  • Aktuell sind in Deutschland nur zwei Ambulanzen auf ME/CFS spezialisiert. Betroffene aus NRW können sich dort nicht vorstellen.
  • Ausführliche Literatur gibt es beim Charité Fatigue Centrum (CFC), dem European Network on ME/CFS (EUROMENE) und dem Centers for Disease Control and Prevention (CDC).

 

  • Am Runden Tisch waren die Patientenorganisationen Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Fatigatio e.V. (Regionalgruppe Aachen) beteiligt. Aus der Ärzteschaft nahmen Fachärzt*innen der Neurologie mehrerer Universitätskrankenhäuser, der niedergelassenen Neurologie und der Kinder- und Jugendmedizin teil.
  • Vorangegangen war im Juni 2021 eine Sachverständigenanhörung im Gesundheitsausschuss des Landtags NRW. Hier konnten die Patientenorganisationen Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Fatigatio e.V. gemeinsam mit den führenden Expertinnen (Prof. Scheibenbogen – Charité Berlin, Prof. Behrends – München Klinik) auf die prekäre Versorgungslage von ME/CFS-Erkrankten in NRW aufmerksam machen (siehe Ausschussprotokoll 1457).
  • Die Patientenorganisationen begrüßen die Beschlüsse des Runden Tisches und werden sich weiterhin für die Verbesserung der Versorgung von ME/CFS-Erkrankten in NRW einsetzen.

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