Auf dem Foto sieht man ein Kiosk-Regal mit Zeitungen

Newsletter 03-2021

Aktuelles

Die Fachtagung und Mitgliederversammlung am 4. und 5. September 2021 in Fulda waren wieder ein voller Erfolg.

 

In der Mitgliederversammlung wurde, nachdem die Vorstandsposition seit einem Jahr nicht besetzt war, eine Vorsitzende gewählt. Wir wünschen Frau Dr. Lieseltraud Lange-Riechmann alles Gute und viel Kraft für diese Aufgabe.

 

Mehr als 1500 Menschen konnte die Fachtagung dieses Jahr erreichen. Über die Zusammenfassung zur Fachtagung möchten wir Ihnen ermöglichen, Ihren individuellen Zugang zu den Vorträgen zu finden. Die beigefügten Links führen direkt zum Fatigatio YouTube Kanal, wo Sie sich die Vorträge noch einmal anhören können.

 

Des Weiteren informieren wir Sie über Aktivitäten des Fatigatio e.V. und neue Entwicklungen.

Newsletter 03-2021   vom   05.10.2021

 

Liebe Mitglieder des Fatigatio e.V.,

Die Fachtagung und Mitgliederversammlung am 4. und 5. September 2021 in Fulda waren wieder ein voller Erfolg.

In der Mitgliederversammlung wurde, nachdem die Vorstandsposition seit einem Jahr nicht besetzt war, eine Vorsitzende gewählt. Wir wünschen Frau Dr. Lieseltraud Lange-Riechmann alles Gute und viel Kraft für diese Aufgabe.

Mehr als 1500 Menschen konnte die Fachtagung dieses Jahr erreichen. Über die Zusammenfassung zur Fachtagung möchten wir Ihnen ermöglichen, Ihren individuellen Zugang zu den Vorträgen zu finden. Die beigefügten Links führen direkt zum Fatigatio YouTube Kanal, wo Sie sich die Vorträge noch einmal anhören können.

Des Weiteren informieren wir Sie über Aktivitäten des Fatigatio e.V. und neue Entwicklungen.

Mit freundlichen Grüßen

Der Vorstand

 

Inhalt

  1. Die neue Vorsitzende des Fatigatio e.V. stellt sich vor
  2. Digitale Fachtagung 2021 des Fatigatio e.V. am 04.09.2021 in Fulda - ein voller Erfolg
  3. Mitarbeit des Fatigatio e.V. bei der Erstellung nationaler Leitlinien
  4. Letzter Stand zum IQWiG
  5. Letzter Stand zu den NICE Guidelines
  6. BC007
  7. Beratung zur Sachverständigenanhörung: Landtag NRW plant Runden Tisch zu ME/CFS

Die neue Vorsitzende des Fatigatio e.V. stellt sich vor

  • Dr.  Lieseltraud Lange-Riechmann
  • Rolle: Vorstand
  • Alter: 60 Jahre
  • Wohnort: Ostwestfalen-Lippe
  • Tätigkeit: Betriebliches Gesundheitsmanagement

In den letzten 10 Jahren habe ich viel Hintergrundwissen zur Erkrankung und Erfahrungen mit der Lebenssituation gesammelt. Deshalb möchte ich unter dem Anspruch

„Wissenschaft für die Zukunft – Sichtbarkeit und Soforthilfe für die Gegenwart!“

helfen, die vorhandene Arbeit des Fatigatio e.V. weiterzuentwickeln. Dazu werde ich meine zeitlichen und persönlichen Ressourcen, sowie meine Fachkompetenz einsetzen und möchte im Kommunikationsnetzwerk gerne dem Vorstand, Akteuren aller Professionen, Betroffenen, Angehörigen und Fachinteressierten eine aktive Partnerin sein.

Meine Erfahrungen aus dem Masterstudium Business of Administration in Berlin mit vielen sozialökonomischen Vertiefungen, können aus meiner Sicht hilfreich sein, um Projekte finanziell und thematisch zu ermöglichen.

Auch meine Leidenschaft für Digitalisierung und Netzwerken sehe ich als nützlich an. Die Sichtbarkeit und das Verständnis für M.E./CFS sowohl im medizinischen, als auch im öffentlichen Bereich zu verbessern, ist für mich ein zentrales Ziel.  Hierbei kann ich auf enge Beziehungen zu den Krankenkassen und Ärzte-Netzwerken zurückgreifen.

Ich sehe auf jeden Fall noch einen großen Bedarf, die Krankheit bekannter zu machen, um Betroffenen viel Leid zu ersparen. Sichtbarkeit und Soforthilfe sind deshalb ebenso wichtig, wie die Unterstützung von Wissenschaft und Forschung, von deren Erfolge erst in der Zukunft profitiert werden kann.
Die Vereinszeitschrift ist dabei für viele eine wichtige Säule, in der wissenschaftliche Erkenntnisse und aktuelle Unterstützung abgebildet werden.

Für alle Betroffenen, für die es eine große Kraftanstrengung bedeutet lange Texte zu lesen, möchte ich einen Kurztext anbieten – ich nenne es mal EnergiesparText. Vielleicht ist das eine Möglichkeit Betroffenen mit Kurznotizen übersichtlich und mühelos Information zu übermitteln. Melden Sie mir gern Ihre Meinung dazu zurück.

 

        EnergieSparText               

  • Dr.  Lieseltraud Lange-Riechmann
  • Rolle: Vorstand
  • Alter: 60 Jahre
  • Wohnort: Ostwestfalen-Lippe
  • Tätigkeit: Betriebliches Gesundheitsmanagement

„Wissenschaft für die Zukunft – Sichtbarkeit und Soforthilfe für die Gegenwart!“

  • Wissenschaft als wichtige Säule à für Betroffene nur in Zukunft direkt hilfreich
  • Gegenwart: aktuelle Hilfe durch z.B.: Beratung und Verbesserung des Verständnisses für die Krankheit in Öffentlichkeit und Medizin
      • Netzwerke aller Akteure und Professionen stützen und erweitern
      • Projekte finanziell und inhaltlich ermöglichen
      • Vereinszeitschrift fortführen mit Wissenschaft und Soforthilfeangebote
      • Digitalisierung und Netzwerken (Homepage, Apps, Krankenkassen)
      • Ihre Meinung und Ihre Ideen sind mir wichtig

Digitale Fachtagung 2021 des Fatigatio e.V. am 04.09.2021 in Fulda - ein voller Erfolg

ME/CFS – eine stille humanitäre Katastrophe; politisches Engagement, Forschung und PostCovid

1500 Teilnehmer aus aller Welt konnte der Fatigatio e.V. - Bundesverband für ME/CFS mit seiner diesjährigen Fachtagung über einen kostenlosen Livestream aus dem Park Hotel in Fulda erreichen. Schirmherr war Michael Brand, Mitglied des Deutschen Bundestags.

ME/CFS hat als medizinisches Thema durch die Corona-Pandemie zusätzlich an Brisanz gewonnen. Die Krankheit tritt bei 10-20% der Erkrankten als Langzeitfolge von Covid19 und anderen viralen Erkrankungen auf. Mit einem informativen und abwechslungsreichen Programm aus internationalen Referentinnen und Referenten wurde wertvolles Wissen zu der bis jetzt oft als psychosomatisch fehlverstandenen Erkrankung vermittelt.

Als „stille humanitäre Katastrophe“ bezeichnet Dr. Lösch, Radiologe und Familienangehöriger eines Betroffenen, die schwere Erkrankung ME/CFS. Sein schonungsloser YouTube Beitrag des ME/CFS Portals trägt erheblich zum Wissen über die desolate Situation bei. Es seien sowohl Versorgung, Forschung, Wissen in der Ärzteschaft und in der Öffentlichkeit zu der Erkrankung nahezu nicht vorhanden. Erschwerend wird das Krankheitsbild in der Abrechnung für Ärzte nicht ausreichend abgebildet. Darunter leiden nun auch die PostCovid Patienten.

Zunehmend unterstützen Politiker den Kampf der ME/CFS und PostCovid Erkrankten. Schirmherr Michael Brand (CDU), tätig im Bundestagsausschuss für humanitäre Hilfe und Menschenrechte, berichtet über die von der Bundesregierung seit Anfang dieses Jahres auf Druck von Ärztinnen und Patientenorganisationen angestoßenen Maßnahmen wie dem Aufbau einer Biobank für ME/CFS, Bereitstellung von Geldern aus dem Innovationsfond für eine kürzlich begonnene Versorgungsstudie sowie erste geringe Forschungsgelder. Dies alles kann allenfalls ein Anfang sein, um dieser schweren Erkrankung zu begegnen, da sind sich Michael Brand und Thomas Hering (als Landtagsabgeordneter in Hessen für eine bessere Versorgung aktiv) einig.

https://youtu.be/RTmfodCSE1s

Hering setzt große Hoffnung in die jetzige Entwicklung und vergleicht den Wissensstand zu ME/CFS mit dem von Multipler Sklerose (MS) in den früheren Jahren, der auch deutlich von Forschung profitiert hat. Hering steht seit einigen Monaten mit dem Fatigatio e.V. in Kontakt. Er verkündet die Bewilligung zweier zusätzlicher Arztstellen für ME/CFS und PostCovid für Hessen durch die Ministerin. „Dies sei auch ein Verdienst des Fatigatio e.V. gewesen“, so Hering. Daher bittet er die Betroffenen und Patientenorganisationen, den Kampf an dieser Stelle nicht aufzugeben.

https://youtu.be/1DDKrxGnRSQ

Dies fordert auch der Bundestagsabgeodneter Erich Irlstorfer, seit Jahren auch in Bayern für diese Erkrankung aktiv im Austausch mit Spezialistinnen und in Forderungen im Bundestag zu ME/CFS. Seit Januar ist er selbst an LongCovid erkrankt und kennt die Symptomatik nun auch aus eigenem Erleben.

https://youtu.be/R0pZ_2o_m2A

 

Wie wertvoll der Austausch in regionalen Selbsthilfegruppen ist, weiß Michael Möller, Leiter des Selbsthilfebüros Fulda – Paritätische Projekte, zu schätzen, auch den persönlichen Informationsaustausch, gegenseitige Anerkennung und Unterstützung vor Ort als wichtiges Standbein in der Versorgung. Er ermutigt die Tagungsteilnehmer, sich auch weiterhin beharrlich für die Rechte und Versorgungsmöglichkeiten in einer starken Gemeinschaft einzusetzen.

https://youtu.be/MqQFoxQVbxs

Es folgt ein Gespräch mit einer Oberärztin, die wie viele andere Kollegen und Kolleginnen auch von PostCovid betroffenen ist und ihren Beruf nicht mehr ausüben kann. Sie äußert einen großen Handlungsbedarf für Öffentlichkeits- und Sensibilisierungskampagnen, da bislang mit hochgerechnet 500.000 LongCovid Patienten gerechnet werden muss. Es betrifft gerade junge Menschen, die über Monate aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Für diese Aufklärungsarbeit sieht sie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in der Pflicht.

ME/CFS wird inzwischen als Autoimmunerkrankung angesehen. Sie ist mit einer Vielzahl an Begleiterkrankungen verbunden. So entwickeln oder verstärken sich oftmals Allergien und Unverträglichkeiten, Patienten leiden unter Darmbeschwerden und vertragen nur noch wenige Lebensmittel. Anlass genug, die Therapieoptionen als symptomatische Therapie neben der Bekämpfung von Schmerz- und Schlafstörungen genauer zu betrachten und so eine Entlastung des Immunsystems erreichen. Privatdozent Dr. Alexander Hagel stellt eine Studie in Zusammenarbeit mit der Universität Erlangen vor, bei der über ein aufwendiges Verfahren (Darmlavage) eine Erhöhung spezieller Immunparameter in bestimmten Darmabschnitten bei Patienten mit Darmbeschwerden nachgewiesen werden kann. Wird dieses Verfahren nach Verzicht bestimmter Lebensmittel über einen längeren Zeitraum wiederholt, sind die Werte der Immunparameter gesunken.

https://youtu.be/OjgG4NSeI2A

Katharina Hotfiel, Ernährungsmedizinerin in einer Familienpraxis, gibt einen Überblick über Allergien und Unverträglichkeiten, ihrer Unterscheidung, Symptome, Diagnosen und Therapiemöglichkeiten und gibt Betroffenen eine Hilfestellung für den Alltag.

https://youtu.be/fcVkh4l0R1g

ME/CFS wird seit 1969 von der WHO in den ICD unter G93.3 als neurologische Erkrankung geführt, wird aber von Ärzten bislang nicht als eigenständige Erkrankung anerkannt. Die Neurologin Dr. Verena Isabell Leussink, bereits an der Universität Würzburg und Düsseldorf tätig, mit internationalen Aufenthalten in der Schweiz, USA und Kanada, gibt einen Überblick zu Historie, Diagnostik und Therapie von ME/CFS und liefert damit wertvolle Basisinformationen zur Erkrankung.

https://youtu.be/f07Kqb-GehU

Professor Wolfgang Huber, Internist, Nephrologe und Umweltmediziner, der im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit auf über 1600 Untersuchungsergebnisse zu ME/CFS zurückgreifen kann, setzt sich seit Jahrzehnten engagiert für eine bessere Versorgung und Anerkennung der Erkrankten ein. Er stellt in seinem Vortrag die Zusammenhänge von postviralen Erkrankungen zu der Symptomatik bei ME/CFS her, die erregerbedingte Spezifizierungen aufweisen. Er gibt vielfältige Hinweise zu möglichen Laboraufträgen und Therapien über Nahrungsergänzungsmittel.

https://youtu.be/a4PfYow9cyQ

Dr. Claudia Kedor aus dem Team Scheibenbogen des Charité Fatigue Centrums unterteilt ihren Beitrag in die drei Abschnitte „PostCovid-Sprechstunde“ mit den Ergebnissen ihrer Studien zu LongCovid und ME/CFS, zu „Versorgungsmöglichkeiten und Empfehlungen für ME/CFS Patienten“ sowie das Arbeitskonzept des über den Innovationsfond geförderten CFS_Care -Projekts. Dies kann als Basis für weitere mögliche Versorgungstherapien bei PostCovid und ME/CFS gesehen werden.

https://www.fatigatio.de/fileadmin/Projects/07_fatigatio/user_upload/Bilder_FT2021/ME_CFS_Fachtagung_Post_COVID_und_Versorgung_Dr._med._Kedor.pdf

Dr. Michael VanElzakker, Neurowissenschaftler an der Harvard Medical School, Boston / USA stellte die Zusammenhänge von LongCovid, anderen postviralen Erkrankungen und ME/CFS vor. Anhand der vielen Verbindungen mit unterschiedlichen Hirnnervenkernzentren kommt dem Vagusnerv, dem „Wandernerv“, eine zentrale Bedeutung zu. Aufgrund seiner teilweise zum Gehirn hinleitenden Bahnen und seiner weit verzweigten Verbreitung in fast allen Organen ist er in der Lage, Störungen z. B. durch Verletzungen oder Entzündungen schon bei kleiner Lokalisation zu erfassen. Verschiedene Hirn-Kerngebiete werden hierdurch beeinflusst. Es kann zur Auslösung einer regelrechten Entzündungs-Kettenreaktion kommen mit entsprechenden Symptomen schwerer Krankheit: Schmerzen, Ruhebedürfnis, Krankheitsgefühl. Dass der Vagusnerv hierbei wesentlich ist, lässt sich im Tierversuch mittels einer Durchtrennung des Nervs belegen, wobei nach einer Schädigung keine Krankheitsreaktion mehr beobachtet wurde. Die Aktivierung der Entzündungskaskade kann auch Hirnzentren betreffen, die für die Auslösung von Angst oder depressiven Gefühlen verantwortlich sind. Diese sind damit aber als Folge der Vagusaktivierung und klar als organische Erkrankung einzustufen und nicht als psychische Erkrankung.

Fragen an und Antworten von dem Referenten wurden in bekannter Weise professionell von einem Vorstandsmitglied übersetzt.

Deutsche Fassung https://youtu.be/EOoY77dtOiE

Englische Fassung https://youtu.be/FDC5NKCmpZk

Durch die Veranstaltung führte Birgit Gustke, die auch immer wieder kritische Themen wie die Notwendigkeit der Kostenübernahme bei Fernbeschulung oder Aufnahme von ME/CFS in den Paragraphen 116 b des SGB V ansprach und Fragen der Tagungsteilnehmer an die Referenten weiterleitete. Dies war durch die Hintergrundarbeit von Vorstandsmitglied Wolfgang Lauterbach in der Technik möglich. Videotechnisch wurde die Veranstaltung hervorragend durch die Firma Videoline unterstützt, die auch den vom Vorstand übersetzten Vortrag von VanElzakker eingesprochen hat.

Alle Vorträge sind bereits über die Homepage und den Youtube Kanal abrufbar. Wie in jedem Jahr werden sie wieder auf einer DVD, inklusive der Moderation, zur Verfügung gestellt. 

Eines der Ziele von Fatigatio ist es, ME/CFS nachdrücklich in den Blickpunkt des Sozialgesetzgebers zu rücken, Vertreter aller politischen Ebenen für die Anliegen der Betroffenen zu aktivieren und den Betroffenen aktuelle Informationen über die Erkrankung zu liefern. Diesem Anliegen ist der Bundesverband für ME/CFS mit der diesjährigen Fachtagung deutlich nähergekommen.

Mitarbeit des Fatigatio e.V. bei der Erstellung nationaler Leitlinien

Der Fatigatio ist beteiligt an der Erstellung der Neufassung der Leitlinie (LL) „Müdigkeit“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM).

In der LL wird der Umgang mit dem Symptom „Müdigkeit“ in Hausarztpraxen bearbeitet.  Müdigkeit ist ein häufiges Symptom und kann bei zahlreichen Erkrankungen vorkommen. Die LL in der letzten Fassung von 2017 geht nur zu einem geringen Teil auf ME/CFS ein und ist sehr umstritten.

Es gibt folgende wesentliche Kritikpunkte:

  • In der Langfassung der LL steht im Kapitel über ME/CFS ausdrücklich, dass die LL nicht als „Leitlinie i.e.S.“ zu verstehen ist. Auch finden sich hier schwer nachvollziehbare allgemeine Betrachtungen zum Sinn von Erkrankungen. Trotzdem beziehen sich zahlreiche Gutachter darauf, als sei es eine reguläre LL. In allgemeinen Kapiteln wird ME/CFS jedoch im gleichen Atemzug wie z.B. ein prämenstruelles Syndrom genannt, was in keinem Verhältnis zum Schweregrad von ME/CFS steht.
  • In den Kurzfassungen finden sich tabellarische Darstellungen von Erkrankungen, die mit Müdigkeit einhergehen. Hier steht ME/CFS im gleichen Tabellenbereich wie psychische Erkrankungen, was suggerieren kann, dass ME/CFS zu diesem Formenkreis gehört.

Für Ende September wird die erste Entwurfsfassung der neuen LL-Version erwartet. Wir werden sie dann gründlich lesen und bewerten. Danach sind einige Diskussionsrunden angesetzt, in denen wir die Interessen unserer Mitglieder und aller Patienten vertreten werden. Auch Frau Prof. Scheibenbogen ist mit eingebunden.

IQWiG

Das Bundesministerium für Gesundheit BMG hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG beauftragt, eine groß angelegte Übersicht über ME/CFS zu erstellen.

Für dieses Projekt kann jede Person Eingaben machen. Der Fatigatio ist als Patientenvertretung intensiv eingebunden. So haben zwei Fatigatio-Mitglieder an einer ersten Sitzung mit verschiedenen Patientenvertretern teilgenommen.  Auch die anderen ME/CFS Organisationen haben mitgewirkt. Wir haben die verstörenden Erlebnisse in der Diagnostik und Therapie von ME/CSF sowie die desolate soziale Absicherung sehr verdeutlichen können.

Mitte August war der Termin für Eingaben zum Berichtsplan, also der Methodik, mit der das IQWIG die wissenschaftliche Literatur zu ME/CFS sichten und bewerten möchte. Hierzu hat der Fatigatio eine siebenseitige Eingabe gemacht, um sicherzustellen, dass z.B. Datenschutzaspekte, aber vor allem auch eine umfassende Berücksichtigung von Grundlagenforschung stattfindet. Außerdem haben wir auf die Limitierungen der gegenwärtigen Forschung zu Therapien bei ME/CFS hingewiesen.

NICE-Guidelines

Wir hatten gehofft, dass die dringlich erwarteten LL des NICE (National Institute for Health and Care Excellence - das sehr angesehene Institut für medizinische Leitlinien in Großbritannien) mit in die DEGAM-LL einfließen würde. Die Entwurfsfassung ist bereits Ende letzten Jahres veröffentlicht worden.

Ein zunächst geplanter Publikationstermin im April wurde auf den 18.08.21 verschoben. Das NICE gab hierzu folgende Erklärung (übersetzt mit Unterstützung von DeepL): „Das NICE hat bei der Entwicklung dieser Leitlinie seine übliche strenge Methodik und Prozess angewandt, aber trotz der besten Bemühungen des Komitees, das sich buchstabengetreu an diese Vorgaben gehalten hat, um die verfügbare Evidenz und die realen, gelebten Erfahrungen und Aussagen von Menschen mit ME/CFS zusammenzubringen, ist es uns nicht gelungen, eine Leitlinie zu erstellen, die von allen unterstützt wird.

Wir möchten allen danken, die zu dieser Leitlinie beigetragen haben, insbesondere dem Ausschuss und den Patientengruppen, die so fleißig gearbeitet haben. Wenn die Empfehlungen in der Leitlinie jedoch nicht von Fachleuten und dem NHS unterstützt und umgesetzt werden, erhalten Menschen mit ME/CFS möglicherweise nicht die Pflege und Hilfe, die sie benötigen.“ (NHS=National Health Service, der britische Kostenträger für medizinische Behandlungen)

Übersetzt bedeutet dies, dass offenbar große Anbieter und/oder Verfechter von Behandlungsmethoden wie CBT (cognitive behavioral therapy – kognitive Verhaltenstherapie) oder GET (graded exercise therapy – medizinischer Trainingstherapie mit steigender Belastung) verweigern, die LL des NICE anzuerkennen, obwohl durch die anerkannte wissenschaftliche Methode des NICE festgestellt wurde, dass die Beweise für eine Wirksamkeit und Unschädlichkeit der Therapien nicht vorhanden oder sehr schwach sind. Das bedeutet, dass bestimmte Interessengruppen in GB der Meinung sind, dass sie aufgrund ihrer persönlichen Meinung ein stärkeres Gewicht haben sollten als die wissenschaftliche Datenlage.

Leider kann der Fatigatio keinen direkten Einfluss nehmen auf diese Vorgänge in Großbritannien. Wir sind jedoch Mitglied in der EMEA, der European ME Alliance, deren britisches Mitglied Interessenvertreter bei der NICE ist. In den EMEA-Sitzungen haben wir die NICE-Vorgänge diskutiert und Handlungsoptionen beraten. Die britischen EMEA-Mitglieder sind allerdings an eine Vertraulichkeitsvereinbarung gebunden und können deshalb keine ausführlichen Informationen herausgeben. Wir sollen jedoch sicher sein, dass sie nicht nachlassen, die Patienteninteressen kompetent zu vertreten.

BC007

Wir erhalten derzeit immer wieder Anfragen von Mitgliedern zu BC007. Wir möchten hier einige Fakten und Überlegungen zu diesem Thema vorstellen.

BC007 ist ein sogenanntes Aptamer. Dies ist ein Molekül, das aus kurzen DNA- oder RNA-Abschnitten besteht und so hergestellt ist, dass es passgenau wie beim Schlüssel-und Schloss-Prinzip an andere Moleküle, z.B. krankmachende Proteine, Gifte oder Antikörper binden und diese damit neutralisieren kann. BC007 (BerlinCures ist der Hersteller) wurde bereits im Jahr 2016 im Zusammenhang mit sog. G-Proteinrezeptor-gekoppelten-Auto-Antikörpern (GPCR-AAB) untersucht. Die ursprüngliche Idee war, dies für Patienten mit bestimmten Formen der Herzschwäche anzuwenden, bei denen diese Antikörper vorkommen. Zu dieser Gruppe von Antikörpern gehören auch die Auto-Antikörper gegen ß1- und ß2-Rezeptoren sowie gegen die muskarinergen Acetycholin-Rezeptoren, die bei ME/CFS-Patienten gehäuft vorkommen. Auch bei bestimmten Augenerkrankungen wie der feuchten Makuladegeneration ist das Aptamer eine Therapie-Option.

Im Rahmen einer Studie der Augenklinik Erlangen wurde einem Augen-Patienten, der gleichzeitig an LongCovid litt, das BC007 gegeben, was offenbar zu einer raschen Abnahme der Symptome führte. Auch einige wenige weitere Patienten wurden im Rahmen individueller Heilversuche (keine Zulassung, medizinisches Risiko voll beim Patienten) behandelt. Eine genaue Beschreibung findet sich auf der Homepage der Universität Erlangen (https://www.fau.eu/2021/07/06/news/medication-for-autoantibodies-also-effective-for-long-covid/).

Nun ist die Vermutung naheliegend, dass BC007 zumindest bei ME/CFS-Patienten mit nachgewiesenen AAK eine Therapie-Option darstellen können. Die Sehnsucht nach einem Medikament gegen ME/CFS ist groß. Allerdings müssen hierzu kontrollierte Studien durchgeführt werden. Viele Fragen sind derzeit offen:

  • Ist die Wirkung bei LongCovid bei großen Patientenzahlen reproduzierbar?
  • Tritt ein ähnlicher Effekt bei ME/CFS auf?
  • Gibt es eine Wirkung nur bei nachgewiesenen GPRC-AAK?
  • Wie ist der Langzeit-Effekt? Es werden nur die zirkulieren AAK gebunden, die Neubildung jedoch nach derzeitigem Wissensstand nicht beeinflusst. Damit könnten nach einer längeren Zeit wieder AAK auftreten.
  • Wie ist es mit Nebenwirkungen und Risiken?

Der Einschluss in kontrollierte Studien muss sorgfältig erfolgen, so muss z.B. die Diagnose ME/CFS entsprechend sicher sein. Das ist bei Studien in der Vergangenheit nicht immer der Fall gewesen. Unseres Wissens konzipiert die Uni Erlangen derzeit eine entsprechende Studie, hierfür müssen aber noch weitere Forschungsgelder bewilligt werden.

Beratung zur Sachverständigenanhörung: Landtag NRW plant Runden Tisch zu ME/CFS

Düsseldorf, 30.09.2021. In der gestrigen Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landtags NRW wurde parteiübergreifend beschlossen, nächste Schritte für die Erarbeitung von Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssituation von Patientinnen und Patienten mit Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue Syndrom in NRW in die Wege zu leiten.

Das Protokoll der Ausschusssitzung wird künftig hier einzusehen sein:

Ersten Informationen zufolge, die der Fatigatio e.V. im Dialog mit Verantwortlichen des Ausschusses erhielt, sehen Vertreter von Landesregierung und Opposition fraktionsübergreifend einen dringenden Handlungsbedarf. Im November 2021 soll daher ein Gespräch zwischen dem Gesundheitsminister und der Patientenbeauftragten von NRW stattfinden, bei dem die weiteren Schritte beschlossen werden. Beabsichtigt ist zum jetzigen Zeitpunkt insbesondere die Einrichtung eines Runden Tisches.

Vorangegangen war am 10. Juni dieses Jahrs eine öffentliche Sachverständigenanhörung, an der neben führenden Persönlichkeiten aus Medizin und Forschung (u.a. Prof. Scheibenbogen, Prof. Behrends) auch die Patientenorganisationen Fatigatio e.V. und Deutsche Gesellschaft für ME/CFS maßgeblich beteiligt waren. Gemeinsam konnten wir auf die desolate Versorgungslage der Betroffenen aufmerksam machen sowie für den dringend benötigten Aufbau von Versorgungsstrukturen in NRW werben.

Weitere Informationen zur Sachverständigenanhörung vom 10. Juni 2021 finden sich in der Pressemitteilung und der Stellungnahme des Fatigatio e.V. sowie im Protokoll zur Anhörung:

Der Fatigatio e.V. begrüßt die Einrichtung eines Runden Tisches für die Erarbeitung von Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungslage in NRW nachdrücklich begrüßen. Ersten Informationen zufolge sollen die Patientenorganisationen erneut maßgeblich beteiligt werden. Unsere Absicht ist es, die im langjährigen Kontakt mit unseren Mitgliedern gewonnenen Erfahrungen und Interessen der Betroffenen in die Beratungen einzubringen und an der Erarbeitung von Maßnahmen mitzuwirken, die vor Ort unmittelbar die Versorgungssituation der Betroffenen verbessern. 

Über die weiteren Entwicklungen zum Thema werden wir frühestmöglich informieren.

Bildunterschrift: Birgit Gustke (li.), Regionalgruppe Fulda/Osthessen des Fatigatio e.V., und Katharina Milde, Regionalgruppe Aachen des Fatigatio e.V. bei der Sachverständigenanhörung, Landtag NRW